Famoser Luftsprung

Da lag ordentlich was in der Luft – damals 1989. Im Jazz Café miles smiles. Dem gemütlichsten „Wohnzimmer“ für Jazz-Konfrontationen Wiens. Gegründet 1981 (!!) sind seine Türen immer noch geöffnet und es wird konzertmäßig bespielt. Zu den Anfängen: die ersten zwei Jahrzehnte gehörten mit zu den Zeiten regester Konzertaktivitäten des Clubs.

Air Mail feat. Karl Sayer, Wolfgang Reisinger, Wolfgang Puschnig, Hary Pepl (v.l.n.r) / Foto Rygalyk & Sebesta

Das Gros der österreichischen Jazz-Koryphäen der zeitgenössischen Spielpraxis gab sich ein Stelldichein, aber auch eine Vielzahl internationaler Kreativgrößen ging ein und aus. Da es Usus war, die Konzerte professionell mitzuschneiden, entstand ein bemerkenswertes Archiv. Anfang der 2020er Jahre begann einer der vormaligen Betreiber, Christoph Prisching, das Material zu sichten und stieß auf vorliegenden Konzertmitschnitt. Von Air Mail – einer österreichischen Kapazunder-Band von mondialer Strahlkraft mit Harry Pepl (g, g-synth), Wolfgang Puschnig (as, fl), Karl Sayer (b) und Wolfgang Reisinger (dr, perc). Aus dem Stand geht die Post ab. Der Magnetismus eines außergewöhnlichen Melos zieht sofort in den Bann. Markantest zeigt diesbezüglich zunächst Puschnig auf. Brillant verteilt über den Ambitus seiner Instrumente. Angelegt ist dieses Geschick alleine schon in den Themen, zuweilen als schwindelerregende Unisoni dargeboten. Ausschließlich Originale der Musiker. In den Improvisationen treiben es Puschnig und Pepl bis in ungeahnt luftige Höhen. Ihr Stegreifvermögen ist phänomenal. Puschnig lässt seine Kantabilität sowohl schnurstracks als auch hakenschlagend durch den Ozean der Modalität dahinziehen, holt immer wieder Kürzel aus echter österreichischer Folklore, speziell der kärntnerischen, hinzu und hat den Blues als Bindemittel ständig parat. So wird’s „lei seins“ in Phrasierung, Intonation, Ausdruck. Ausschwingende Melodiebögen, elaborierte Harmonieprogressionen, Single Note-Ketten, flächige Ereignisse und wie er mit dem damals neuartigen Roland Midi-Guitar System neue Seiten aufzieht, kennzeichnen Pepls Meisterschaft – einer der herausragendsten, jazzangedockten Gitarrenstilisten seiner Zeit.

Vinyl-Cover / copy Rygalyk & Sebesta

Exzellente Kongruenz beider, die denn auch in freitonalem Laissez-faire jubiliert. Darin verzweigt sich das Bewegungsprofil des rhythmischen Doppels – Sayer und Reisinger. In der Ursprungsbesetzung spielte der amerikanische Bassist Mike Richmond. Doch ist Sayer mit seinem imponierend geräumigen Ton, ebensolcher Timepräzision und eigener Melodieentwicklung mehr als ein Substitut für Richmond. Beglückend korrespondiert dies mit den musikalischen Vermögensverhältnissen von Reisinger. Rhythmischer „Herzmuskel“, unermüdliche „Schlagader“, Zeitjongleur. Seine offene, strukturelle Wandelbarkeit, sein metrisches/rhythmisches „Instant Playing“, jedoch immer die Formdimension vergeistigend, lässt die Musik richtig fliegen. Klangsinn und Spielwitz werden kontinuierlich mitgeschickt. Die Luft vibrierte damals sternstündlich. Diese wertvolle Vinyl only-Edition wurde in Eigenregie gefertigt, in einer Auflage von 300 Stück. Auch das geschmackvoll reduktionistische Cover inklusive Inlay ist ein Produkt des engsten miles smiles-Freundeskreises. Zudem ausgezeichnete Klangqualität, schweres Vinyl, gefütterter Innersleeve. Gewidmet ist die Veröffentlichung den drei, dem Irdischen leider entrissenen Beteiligten Harry Pepl, Wolfgang Reisinger und Fotograph Rainer Rygalyk, der das Linerfoto fertigte. Danke Christoph Prisching für das erquickende Lächeln, das du uns hiermit ins Gesicht zauberst. P.S.: Die richtige Stückefolge der Seite 2 findet sich auf dem Label. hasch

Vinyl-Tipp:

Air Mail “Live 1989” *****, Miles Smiles LP 

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